Warum Erdogan so beliebt ist?

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Mehr als nur Staatspolitik

Heute hat sich Erdogan mit der Bundeskanzlerin Angela Merkel getroffen. An Gesprächsthemen sollte es nicht gemangelt haben. Obwohl dieses Treffen politisch interessant ist, hat Erdogans Deutschland Reise für die türkischen Migranten auch noch eine gesellschaftliche Bedeutung.
Er ist unumstritten der beliebteste Politiker in der Türkei. Überall wo er auftritt sieht man Menschenmengen um ihn. Aber seine Popularität macht ihn auch zu einem umstrittenen Politiker. Wenn man seine Beliebtheit verstehen will, darf man seine Persönlichkeit nicht unberücksichtigt lassen.

Der leidenschaftliche Politiker

Viele Europäer fragen sich, warum dieser Mann in der türkischen Gesellschaft so beliebt ist. Von westlichen Medien wird er meist als undemokratisch, übermächtig oder sogar als „Sultan“ bezeichnet, der sein Land islamisieren will. Ist diese Kritik gerechtfertigt?
Erdogan ist tatsächlich ein Politiker, der von seinen Wählern und Sympathisanten als der „große Meister“ bezeichnet wird. Seine Popularität in der Gesellschaft ist unverkennbar. Jeder zweite wahlberechtigte türkische Staatsbürger hat bei den letzten Wahlen die „Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung“ (AK Partei) gewählt, und das nicht nur wegen der Parteipolitik, sondern zum größten Teil wegen Erdogan als politische Persönlichkeit.
Seine persönliche Art des politischen Auftritts wirkt auf viele Europäer befremdlich. Vor allem Deutsche sind eher das Gegenteil gewöhnt. Vergleicht man Bundeskanzlerin Angela Merkel mit Recep Tayyip Erdogan wird einem schnell klar, wie unterschiedlich die Persönlichkeitspräferenzen von Politikern in der Gesellschaft liegen. Auf der einen Seite steht eine ruhige, nüchterne, nur wenig Emotion preisgebende Persönlichkeit als mächtigste Frau der Nation, auf der anderen Seite ein Mann von Emotionen, politischer Leidenschaft und großen Auftritten. Egal ob In- oder Ausland, Erdogans Auftritte sind mit tausenden Unterstützern ein Highlight für sich.


Ein zweiter Atatürk?

Erdogan ist nicht nur ein charismatischer Premierminister, sondern auch eine Persönlichkeit der mit geschicktem Feingefühl sich politischen und gesellschaftlichen Herausforderungen stellt. An der Umsetzung der demokratischen Reformen gegen den harten Widerstand der Kemalisten, wäre zweifelsfrei jeder andere Politiker gescheitert. Besonders deutlich sieht man seine Führungsqualitäten im Umgang mit politischen Krisen, aus denen er in den letzten 11 Jahren alle Male erstarkt herausgekommen ist. Seit Atatürk hat kein anderer Politiker die Türkei so geprägt und transformiert wie er. Ist das der Grund, warum Erdogan als der einflussreichste Staatsführer nach Atatürk gesehen wird? Mag sein!


Ist der Polarisierungsvorwurf gerechtfertigt?

Erdogan wird oft mit dem Vorwurf der Polarisierung konfrontiert. Ohne die verantwortungslose Opposition in diesem Polarisierungsprozess zu Berücksichtigen ist dieser Vorwurf eher ideologischer Natur, als eine sachliche Kritik. Von einer bewussten Polarisation profitiert die unfähige Opposition am meisten. Schon bei kleinsten Reformen, die mit parlamentarischer Mehrheit beschlossen werden, muss sich die AK Partei mit Vorwürfen wie Despotismus und Diktatur auseinandersetzen. Mit dieser Oppositionskultur einer Polarisierung zu entkommen ist ein schweres Unterfangen.


Hoffnung und Begeisterung

Eine andere Eigenschaft die hervorsticht liegt in der Fähigkeit des Premiers die Menschen für seine Visionen zu begeistern. In einer Gesellschaft, wo Ministerpräsidenten durchschnittlich nach einem 1 Jahr durch Neuwahlen ersetzt wurden, war kein Platz für mittel- und langfristige Planung. Doch mit der Stabilität der AK Partei-Regierung, mit der zügigen Umsetzung vieler Versprechungen hat sich ein Glaube an eine bessere Zukunft entwickelt. Die türkischen Bürger diskutieren heute die Agenda 2023.

Hat Erdogan die Stellung der Frauen verbessert?
Nach dem neuesten Stand hat die AK Partei 8,1 Millionen Mitglieder. 3,5 Millionen davon sind Frauen. Eine Zahl, die mit Oppositionsparteien CHP oder MHP nicht zu vergleichen ist. In der AK Partei Regierung hat sich vor allem in der Frauenpolitik vieles zum Positiven entwickelt. Der Frauenanteil im Parlament hat sich verdoppelt. Es wurden Reformen zugunsten von Frauenrechten durchgesetzt. Die Stellung der Frau im Berufs- und sozialen Leben hat sich im letzten Jahrzehnt kontinuierlich verbessert.


Erdogan’s Minderheitenpolitik

Weitere wichtige Fortschritte in der Erdogan-Regierung sind in der Minderheitenpolitik der Türkei zu beobachten. Die „Öffnungspolitik“ bezüglich der Kurden und Alewiten, die Rückgabe der Klöster an die Orthodoxen Gemeinden sind Schritte in eine Demokratie, in der Minderheitenrechte nicht nur auf dem Papier existieren. Erdogan hat in seiner Regierungszeit nicht nur rechtliche Reformen durchgeführt, er hat auch den Verhaltenskodex der türkischen Gesellschaft reformiert. Die Toleranz und Akzeptanz gegenüber Andersdenkende und –lebende hat sich in der Gesellschaft vertieft.


Erdogans Popularität unter Auslandstürken

Erdogan ist ein Politiker, dessen Beliebtheitswert besonders bei den im Ausland lebenden Türken sehr hoch ist.

Ca. 3 Mio. Auslandstürken leben in Deutschland. Daher misst, sowohl der Türke als auch die türkische Regierung, Deutschland einen besonderen Stellenwert zu.

Es werden gesellschaftliche und politische Beziehungen gepflegt. Das Interesse der AK Partei-Regierung diese Beziehungen zu pflegen und zu stärken ist ein elementarer Pfeiler der Auslandspolitik.
Erstmals in der jüngsten Geschichte der Türkei werden auch Auslandstürken, die einen türkischen Pass besitzen, im Ausland für die Parlamentswahlen und Präsidentschaftswahlen im August dieses Jahres ihre Stimme abgeben können. Eine historische Entwicklung die zur Stärkung der türkischen Demokratie gewiss ein sehr großer Beitrag ist.


Erdogans Deutschland-Besuche

Erdogans Deutschlandbesuche werden von den Medien oftmals mit Skepsis und Misstrauen wahrgenommen. Sollten sie aber nicht. Erdogans Auftritte sind, weder ein Hindernis für die Integration der türkischstämmigen Bürger, noch sind sie eine Einmischung in die deutsche Politik. Thematisiert wird meistens die Türkei Politik. Jedoch sollte man ihm auch nicht übel nehmen, wenn er sich in der deutschen Migrationsdebatte als Ministerpräsident von 1,5 Millionen Menschen mit türkischer Staatsangehörigkeit zu Wort meldet. Genauso wie Merkel ein offenes Ohr für die deutschen Bürger im Ausland haben sollte, ist es nicht nur wünschenswert, sondern auch die Erwartung der türkischen Bürger im Ausland, ein Gehör beim türkischen Ministerpräsident zu haben.
Die in Deutschland Geborenen, seit langem hier Lebenden oder spät Immigrierte, fühlen und leben in zwei Sprachen, in zwei Kulturen. Eine Abwägung oder zwanghafte Entscheidung für eines der beiden Sprachen oder Kulturen lehnen die meisten ab. Sie möchten beides.
Ein positiver Austausch auf politischer und gesellschaftlicher Ebene fördert nicht nur die Annäherung der Staaten zueinander, sondern auch die Annäherung einzelner Bürger und Gesellschaften.
Daher wird der Berlin-Besuch von Erdogan von Deutsch-Türken mit viel Interesse und Neugier erwartet.

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